Urlaub an der Crikvenica-Riviera - also zwischen der Hafenmetropole Rijeka im Norden und der alten, inzwischen sehr heruntergekommenen Uskoken-Hochburg Senj im Süden - folgt eigentlich immer dem gleichen Schema: Morgens ausgiebig frühstücken (die örtlichen Hotels bieten inzwischen üppige Buffets, mit etwas Glück auch Kaffee nach deutschem Standard), dann Strand, mittags essen und ruhen, wieder Strand, abends kroatisch schlemmen und die unterschiedlichen Unterhaltungsangebote genießen, die rührige Touristiker vor Ort für ihre Gäste zusammengestellt haben...
Doch wer an diesem Küstenabschnitt nur das Meer (mit Krk, der größten Insel Kroatiens) vor sich, aber nicht die steil ansteigenden Berge hinter sich sieht, denkt zu eindimensional und bringt sich vielleicht um die wertvollsten Erlebnisse. Denn das Velebitgebirge mit seiner nahen Hochebene zwischen 800 und 1.000 Höhenmetern und der urtümlich karstigen Landschaftsstruktur ist nicht nur Heimat des rauen Adriawindes Bora, mit dem wohl jeder Kroatientourist schon einmal (unliebsame) Bekanntschaft geschlossen hat, sondern beherbergt auch so manche Preciose für den urlaubenden Gast.
Fährt man von Selce aus über einen kurzen Bergrücken Ostwärts, landet man zunächst im üppig grünenden Vinodol, dem "Weintal", das sich von dem Küstenort Novi Vinodolski wie eine Zunge in den beginnenden Velebit schiebt. Bribir ist ein verschlafener Ort in diesem wenig frequentierten Küstenhinterland, in dem Einheimische jeden Alters tagein, tagaus die Zeit in den Straßencafès des kleinen Zentrums totschlagen. Von hier aus steigt zunächst flach, dann steiler eine schmale Straße seitlich den Velebit empor und zweigt nach etwa zwei Kilometern östlich ab in eine mit Büschen bewachsene Hochebene.
"Fuß vom Gas" heißt es hier - und ständig Bremsbereitschaft herstellen. Denn die Steppe ist Lebensraum großer Herden ausgewilderter Pferde, die dem Besucher bisweilen pritschebreit auf der Fahrbahn entgegen traben und sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen. Einige Kilometer fährt man so dahin, blickt gelegentlich an freien Stellen noch hinunter auf den malerischen Kvarner Golf, bestaunt Landschaft und Pferde - und findet sich plötzlich in einem dunklen Wald wieder.
Die Straße ist nun enger, schlängelt sich um kantige Felsformationen, bei Gegenverkehr empfiehlt es sich unbedingt, eine der seltenen Ausbuchtungen anzusteuern... Wohin diese Reise führt? Zu einer rund 900 Meter hoch gelegenen Schutzhütte nahe dem Weiler Lukovo, eigentlich ein schreckliches Ungetüm von einer Hütte, mit metallenem Schrägdach und ein paar rohen Holztischen und -bänken davor. Man erreicht sie über einen steilen Schotterabzweig an einer Rechtskurve der Waldstraße und hat schon bei der Auffahrt das Gefühl, dass einem gleich etwas besonders wiederfährt.
Archaisch das Interieur der Hütte (die übrigens schlicht "Vera" heißt): Ein ausgestopfter Braunbärenkopf neben dem eines mächtigen Keilers, Bilder von strengen Wintern und viele Jagdtrophäen auch afrikanischen Ursprungs. Nein, Antilopen gibt es hier nicht. Aber Bären, die schon. Einen pro Jahr darf der Hüttenwirt, Jäger und passionierte Pilzsammler schießen und in seinem kleinen Kühlhaus lagern. Dazu drei Hirsche und so viele Wildsäue, wie ihm vor die Flinte laufen. Auf der Karte steht, was die Region (und die Jahreszeit) so hergeben. Heute Hirschschnitzel mit Pilzsauce, dazu Polenta und ein deftiger Krautsalat.
Pikobello sauber und in Schuss ist die Edelstahlküche in der ansonsten urig eingerichteten Hütte, die sich fahruntüchtigen Gästen auch als Nachtlager empfiehlt. Man kann bei der Zubereitung der Speisen, die je nach Größe der Gästeschar auf Gemeinschaftsplatten serviert werden, zusehen, mit dem Koch ein wenig auf Deutsch radebrechen oder auch nur schweigen und ein eiskaltes Karlovacko Pivo die Kehle hinuntergluckern lassen. Draußen summen die Bienen, es ist knapp zehn Grad Kühler als weit dort drunten, am quirligen Strand bei Crikvenica und irgendwo da hinter den mächtigen Eichen brummen die Bären...
Wer einen Nachmittag auf dieser oder der benachbarten Waldhütte "Vagabund" inmitten des Velebitgebirges verbracht hat und sein Fahrzeug anschließend wieder zur Adriaküste hinunter steuert, fühlt sich wie ein Zeitreisender. Das Erlebnis dort oben passt so gar nicht zum Postkartenidyll Kroatiens, hebt sich aber auch ab von Tiroler Bergabenteuern. Es ist eine ganz spezifische Urlaubserfahrung, die Eigenheiten des Landstrichs abseits von Meer, Strand und Touristenströmen offenbart.
Holger Laschka
Rijeka
Crikvenica
Novi Vinodolski
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