Nachdem das Flugzeug lange Zeit über bewaldete Hügelketten geflogen war, zog es plötzlich eine scharfe Rechtskurve. Ich saß am Fenster und sah gespannt hinab. In der Ferne konnte ich bereits das Meer erkennen und glaubte, auf der rechten Seite die Stadt Genua auszumachen. Als ob der Pilot den Reisenden eine besondere Freude machen wollte, nahm er nicht direkten Kurs auf die Stadt, sondern drehte einen weiten Bogen, um dann die ligurische Küste in östlicher Richtung abzufliegen. Mein Herz öffnete sich. Unter mir lag Ligurien, eingeklemmt zwischen begrünten Bergen und dem tiefblauen Mittelmeer. Ich sah bunte Häuser, die sich entlang der felsigen Küste zogen. Je näher wir Genua kamen, desto enger wurde die Bebauung. Ich erkannte den zentralen Piazza della Vittoria mit seinem klotzigen Triumphbogen, einem Monument, das den Gefallenen des ersten Weltkrieges gewidmet wurde. Dann folgte der berühmt alte Hafen, Porto Antico, an dem sich das größte Aquarium Europas befindet. Fähren und Kreuzfahrtschiffe ankerten im Hafen, nahe bei dem unübersehbaren Leuchtturm, auf Italienisch „il faro“, der Genuas Wahrzeichen darstellt. Gerade, als ich dachte, wir würden mitten auf dem Meer landen, sah ich die Landebahn unter uns und konnte es kaum erwarten, endlich anzukommen und meinen selbstorganisierten Urlaub in Genua zu beginnen.
Vom Flughafen nahm ich den stündlich fahrenden Flughafenbus Richtung Zentrum. Er hielt bereits am Hauptbahnhof Principe, doch ich fuhr weiter bis Piazza de Ferrari, letzter Halt vor der Endstation Bahnhof Brignole. Mitten auf dem Ferrari Platz gibt es einen großen Springbrunnen, aus dem Wasserfontänen in verschiedenen Farben quellen. Ich schlenderte weiter Richtung Piazza Matteotti und Altstadt, wo sich mein Hotel befand.
Wer das Herz von Genua schlagen hören möchte, sollte sich schnellstens in die Altstadt begeben – die größte Altstadt Europas. Es empfiehlt sich, vor allem den Altstadtteil östlich der Kathedrale San Lorenzo und Via San Lorenzo zu erkunden, da der westliche Teil nahe der Via Pre noch immer den Ruf hat, vor allem nach Einbruch der Dunkelheit gefährlich zu sein. Genuas Altstadt wirkt auf viele Besucher zunächst einmal abschreckend und mit seinem engen Gassenchaos verwirrend. Ich spürte die Feuchtigkeit der alten Häuser, von denen teilweise die Farbe abblätterte. Über den Gassen waren Wäscheleinen von Haus zu Haus gespannt, teilweise noch tropfende Wäschestücke hingen darauf, auf dem Boden lagen viele herabgefallene Wäscheklammern und andere Kleinigkeiten, die vielleicht aus Wut oder während leidenschaftlicher Streits aus den Fenstern geschleudert worden waren. Ich lächelte und sah zu, wie sich ein Sonnenstrahl in die schmale Lücke zwischen den zwei Gassenseiten quetschte.
Sobald die Dunkelheit einbrach, lebte die tagsüber ruhige und nahezu verlassene Altstadt auf. Unzählige Bars und Restaurant öffneten ihre Türen und lockten mit hübsch zurechtgemachten Tischen, gemütlichen Sitzecken und warmen Lichtern. Ich hatte Hunger und beschloss, mich nach einem ansprechenden Pizzarestaurant umzusehen. Es war nicht schwer, fündig zu werden: Auf der kleinen Piazza di San Donato, wenige Schritte von der parallel zu Via San Lorenzo laufenden Via San Bernardo entfernt, fand ich ‚La Sosta degli artisti‘ – Die Einkehr der Künstler. Das kleine Restaurant überzeugte mich mit seinem schlichten Charme, seinen gelb bemalten Wänden und schönen Bildern von Genua und dem Meer. Neben Pizzen gab es auch Genuas Spezialität – Focaccia, vor allem die berühmte Käse-Focaccia aus dem Dorf Recco in der Nähe von Genua.
Nachdem ich eine leckere Pizza nach Art des Hauses mit Mozzarella, Tomaten, Rucola und Schinken verspeist hatte, machte ich einen kleinen Verdauungsspaziergang in die prächtige Via Garibaldi unweit der Altstadt, Richtung Bahnhof Principe. Die beeindruckenden Paläste waren bei Nacht hell erleuchtet und erstrahlten in majestätischen Farben. Bevor ich ins Hotel zurückging, unternahm ich noch einen kleinen Abstecher zu Piazza delle Erbe, Genuas Haupttreffpunkt für Studenten und junge Leute. Dies war der beste Ort, um noch schnell etwas zu trinken. Für Nachtschwärmer sei jedoch darauf hingewiesen, dass in Italien um zwei Uhr alle Bars schließen!
An meinem zweiten und letzten Tag in Genua stand mir der Sinn nach Meer. Kurz vor Mittag nahm ich von Via Dante neben Piazza de Ferrari Bus Nummer 15, der mich in einer guten halben Stunde bis zum letzten Stadtteil Nervi im Osten Genuas brachte. Ich folgte dem salzigen Duft in meiner Nase und erreichte nach fünf Minuten die Promenade Anita Garibaldi, die entlang der Felsenküste führt. Das Mittelmeer schillerte in karibischen Farbtönen, teilweise Palmen säumten den Weg und am Horizont erkannte ich die Halbinsel von Portofino. In östlicher Richtung erreichte ich nach kurzem einen kleinen Fischerhafen, an dem sich die ältere Generation von Genua Nervi zu versammeln schien. Braungebrannte Fischer und ihre Frauen saßen auf dem Kieselsteinstrand und plauderten munter vor sich hin. Ich setzte mich in ihre Nähe und sah auf das Meer hinaus. Die Wellen strichen über die kleinen Steine und sorgten für ein beruhigendes Geräusch, das leicht die Ohren kitzelte.
Ich fragte mich, warum Genua mit seiner spannenden Altstadt, dem alten Hafen voller Fähren Luxusliner und Yachten, seinen mächtigen Palästen und der traumhaften Umgebung nicht beliebter bei Touristen war. Es gab hier so viel Schönes zu entdecken und Genua verdiente es, nicht nur Durchfahrtsort für Reisen in die Toskana, nach Sardinien oder Korsika zu sein.
Genua
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