Ich möchte Sie mitnehmen in eine andere Zeit, an einen anderen Ort. Weimar (Thüringen) im Jahre 1806. Das Jahr in dem Johann Wolfgang von Goethe seine Christiane Vulpius heiratet. Die Trauung findet in der Sakristei der Jakobskirche am Rollplatz statt. Sein bekanntestes Stück - Faust - ist bereits auf dem Markt erschienen. Goethes Name wird verbunden mit dem Dichter, dem Denker, dem Wissenschaftler und Politiker der Stadt Weimar. Im Jahr zuvor ist sein guter Freund Friedrich Schiller im Alter von nur 46 Jahren bereits verstorben und auf dem Jakonsfriedhof - ebenfalls am Rollplatz - beerdigt.
Der Rollplatz in Weimar im Jahre 2010. Es scheint sich hier um einen Geheimtipp zu handeln, denn im Gegensatz zur Schillerstraße, zum Theaterplatz und Frauenplan und zum Goetheplatz sieht man hier kaum Touristen. Das ist mir sehr recht, ich schaue mich um und entdecke tatsächlich die ersten Spuren, die Goethe und Schiller hinterlassen haben. Die Jakobskirche mit dem Hinweis, dass sich Goethe und Vulpius in der Sakristei das Ja-Wort gegeben haben. Die Jakobskirche steht mitten auf dem Jakobsfriedhof, auf dem schon seit 1840 nicht mehr beigesetzt wird. Es handelt sich um den ältesten Friedhof der Stadt und hier ist auch Goethes Frau, die schon im Jahre 1816 an Nierenversagen verstorben ist. Auf Ihrer Grabplatte sind die bewegenden Worte ihres Ehemannes zu lesen:
„Du versuchst, o Sonne, vergebens,
Durch die düstren Wolken zu scheinen!
Der ganze Gewinn meines Lebens
Ist, ihren Verlust zu beweinen.“
Vor lauter Rührung habe ich einen Kloß im Hals und sehe mich weiter um. Nicht zu übersehen: Schillers Denkmal über dem Grab, in dem er zunächst beigesetzt wurde. Ich lasse mir von einem waschechten Weimarer sagen, dass es sich hier um ein Massengrab handelte, Schiller war eben "ein armer Schlucker" und so war das damals mit "armen Schluckern". Die wurden mit anderen "armen Schluckern" zusammen beerdigt. Im Jahre 1867 wurden dann Schillers Gebeine in der Fürstengruft auf dem historischen Friedhof in Weimar beigesetzt, wo auch Goethe nach seinem Tod - auf eigenem Wunsch - an Schillers Seite ruhen sollte.
Da mich aber eben nicht nur das Sterben Goethes und seiner Lieben interessiert, begebe ich mich nun zum Theaterplatz. Dort schauen mich Goethe und Schiller von ihrem Denkmal aus an. Goethe ein wenig gestreckt (in Wirklichkeit soll er viel kleiner gewesen sein), um seine wahre Größe zu demonstrieren. Dahinter befindet sich das Deutsche Nationaltheater, welches nicht nur Goethes Schaffen repräsentiert, sondern auch an ein wichtiges Ereignis der späteren Geschichte Deutschlands erinnert: Die Verfassung der Weimarer Republik wurde hier im Jahre 1919 verabschiedet.
Ich schlendere weiter über die Schillerstraße, die heute, also im Jahre 2010, gepflastert ist mit Geschäften, Eiscafés und Bistros. Damals lebte hier Friedrich Schiller mit seiner Familie. Ich stehe vor seinem Haus, begegne einer Touristengruppe und lausche dem Reiseleiter "... hinter dem Fenster oben rechts - da ist Schiller verstorben....". Interessant. Ich wage den Schritt in das Haus hinein und bin beeindruckt, was es hier alles zu sehen gibt. Neben Schillers Möbeln, seinem Schreibtisch, seinem Bett und allem, was seiner Zeit zu diesem Haus gehörte, liegt in einer Vitrine die sagenhafte Schillerlocke. Ein Bediensteter soll sie ihm kurz nach seinem Tod abgeschnitten haben, in der Vorahnung, dass sich diese mal einer großen Beliebtheit erfreuen würde.
"Am Ende der Straße rechts und immer geradeaus - da laufen'se schon auf das große gelbe Haus zu." erklärt mir ein Ortskundiger. Der Grund meines selbstorganisierten Wochenendtrip steht nun in seiner Pracht vor mir: das Goethehaus. Es besteht aus dem Goethe-Nationalmuseum und Goethes Wohnhaus. Als erstes kämpfe ich mich durch das Museum: Skelette von Reptilien sind nicht gerade meine Leidenschaft, aber auch sie gehören eben zur Geschichte Goethes. Zum Wissenschaftler Goethe. Und endlich betrete ich seine Wohnräume. Bescheiden wäre das falsche Wort. Im Großen und Ganzen handelt es sich hierbei um das Gegenteil von Schillerhaus, das bescheiden und klein wirkt. Großzügige Zimmer, hohe Decken, prächtige Tapeten und Bilder an den Wänden. Ein über-lebensgroße Büste präsentiert sich neben einem Türrahmen - der bekannte Türrahmen, durch den man einen Gesamtblick durch einige Räumlichkeiten seines Hauses hat. Die Möbel sind massiv, edel und beinahe königlich. Es kribbelt unter meinen Füßen während ich durch die Gänge laufe. Hier ist auch einmal Goethe gewesen. Hier hat er gelebt, geschlafen, gedacht und gedichtet. Hier hat er geliebt, gestritten, Besuch empfangen, gegessen. Ich laufe durch ein Stück Geschichte. Unvergessen.
Unvergesslich auch mein Ausflug in diese wunderschöne Stadt im Herzen Deutschlands. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass ich hier war. Denn Weimar hat noch so viel mehr zu bieten...
Verena Hohmann
Weimar
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