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Kalabrien

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- Ein Reisebericht -

Zwischen Skylla und Charybdis

Wer Strand, Meer und Wärme, die klassischen Elemente eines Italien-Urlaubs, genießen will, ist mit Kalabrien bestens beraten. Die Region ganz im Süden des Landes punktet mit 300 Sonnentagen pro Jahr, einer üppig wuchernden Natur, und kann sogar mit einem richtigen Berg aufwarten, der unter fachkundiger Führung von Einheimischen auch von Touristen bestiegen werden kann. Wer es lieber gemütlich mag, lehnt sich in den Liegestuhl zurück und genießt das Mittelmeer, dort wo es am schönsten ist.

„Pizza für die Signorina?“ Lachend hält Koch Luigi vom hoteleigenen Restaurant „Cucina calabrese“ unserem Baby einen Holzschieber unter die Nase. Darauf: die wahrscheinlich beste „Quattro Staggioni“ der Welt! Frisch aus dem Steinofen, mit Tomate, Mozzarella und allem, was das Herz begehrt. Klein-Antonia, die gerade erst ein Jahr alt geworden ist, genießt die Streicheleinheiten, die von allen Seiten auf sie niederregnen. Italiener lieben bekanntlich Kinder, und sie machen aus ihrer Begeisterung keinen Hehl. Bussi, bussi, „bella bimba!“ – unser Wonneproppen wird von begeisterten Zimmermädchen mitten auf die Stirn geküsst und macht bei Tisch die Runde durch die Arme der anderen Touristen. Zu unserer Überraschung sind das in Kalabrien gar nicht so selten – Kalabresen. Die bleiben während der Ferien tatsächlich gerne zu Hause und genießen die 780 Kilometer Strand, das kristallklare Wasser sowie die Olivenbäume vor ihrer Haustür. „Unsere Region ist die schönste überhaupt“, meint Luigi stolz. Und wir finden, er hat Recht.

Wenn wir den Kinderwagen über den gepflasterten Weg zum Meer schieben, schleicht sich der Duft einer Armada von Kiefern in unsere Nase. Dann liegt der endlose Wasserspiegel vor uns. Glatt und glänzend und in der Sonne glitzernd präsentiert die See sich am unteren Ende Italiens. Kalabrien bildet gleichsam die Stiefelspitze des Landes. Was uns als Eltern eines Babys besonders freut: Die Strände sind fast alle flach. Ein richtiges Paradies also für Antonia, die wir mit Sonnenhut, Eimerchen und Schaufel auf einem großflächigen Handtuch „parken“, wo sie sich sogleich an die Arbeit macht, das Mittelmeer auszubaggern. Weder laufen hier Krebse herum, die Nina in den Zeh zwicken könnten, noch droht eine Monsterwelle unseren 75 cm-Zwerg zu überfluten. Ich fühle mich ein bisschen wie in „Man spricht deutsh“, dem Film von Gerhard Polt. Der 80er-Jahre-Streifen über die Marotten deutscher Pauschalreise-Urlauber spielt schließlich auch an der Westküste. Selbst mein Mann, der Sportler, scheint Gefallen zu finden am „dolce far niente“. Trotzdem wird er wohl irgendwann in dieser Woche zum Gipfelsturm ansetzen. Wie Seite 11 unseres Reiseführers verrät, ist Kalabrien ein vorwiegend gebirgiger Landstrich, 90% der Oberfläche besteht aus Gestein. Den Norden dominiert das Massiv des Monte Pollino, dann folgen die großflächige Sila, die Serre und schließlich der Aspromonte, das südlichste Anhängsel des Apennins. Die höchste Erhebung, der Montalto, ist sogar stolze 1.955 Meter hoch.

Eine kleine Vorübung alpiner Genüsse erwartet uns am nächsten Morgen. Unser Bus hat den Weg ins Städtchen Pizzo, einem wahren Touristen-Fangbecken, eingeschlagen. Vom Haltepunkt aus geht es dann zu Fuß halsbrecherisch bergab. Vorbei an üppiger Vegetation schieben wir Antonia einen schmalen Pfad hinunter. Hühner laufen gackernd über den Weg, eine der Katzen hat im Revierkampf ein Ohr eingebüßt. Die ärmliche Blechbehausung, welche wir direkt am Strand vorfinden sowie der abgetragene Jogginganzug von Michele, dem Fischer, verraten mehr als jede Statistik, dass der „ Mezzogiorno“ immer noch geprägt ist von Armut und Arbeitslosigkeit. Wie ein strahlender Kontrast dazu präsentieren sich die Wellen azurblau in der Bucht. Michele winkt uns freundlich zu einer Kiste mit vier Kätzchen. „Un mese“, einen Monat seien sie alt, sagt der Mann, der aussieht wie ein kalabresischer George-Clooney-Verschnitt. Dabei reckt er seinen Daumen hoch. Als wir den Gang zurück nach oben antreten, kreuzt eine Viper unseren Weg. Die Motorini auf der Piazza verbreiten einen heftigen Benzingeruch, der sich in den verwinkelten Gässchen nur langsam verzieht. Vor einer Kirche haben fromme Naturen eine Vitrine mit Totenschädeln platziert. Zum Glück ist unsere Tochter noch zu klein, um sich zu gruseln. Stattdessen verschmiert sie sich von oben bis unten mit dem süßen Tartufo-Eis aus Nugat, auf dessen Erfindung man in Pizzo so stolz ist.

Das Städtchen Tropea, das auf einer steilen Klippe klebt und vorwiegend von der Fischerei lebt, müssen Antonia und ich an unserem letzten Urlaubstag allein durchstreifen. German hat sich in aller Frühe abgeseilt, um mit Hilfe eines Kletterführers den hoch aufragenden Montalto zu bezwingen. Auf sich selbst gestellt, bekommen „mama und bimba“ entlang der Küste ebenfalls ziemlich Aufregendes zu sehen: Der Stromboli, ein Vulkan auf den Liparischen Inseln, bricht gerade mal wieder aus. Das tut er alle zehn Minuten, wie unsere redselige Reiseleiterin Claudia doziert. Vom Aussichtspunkt „Capo Vaticano“ aus deutet sie zur Meerenge von Messina hinüber. Laut dem achten Buch von Homers „Odyssee“ bedrohen dort die Ungeheuer Skylla und Charybdis die Seefahrer.

Unser Gerade-noch-Baby sitzt davon unbeeindruckt im Buggy und scheint sich die Gelassenheit der Südländer blitzschnell angeeignet zu haben - eine Gemütsruhe, die man übrigens in der örtlichen Küche vergeblich sucht. Vielleicht sind die Hitze oder der Stromboli daran schuld, jedenfalls kocht in den hiesigen Gerichten der Vulkan. Die Einheimischen bestreuen ihre Pasta ebenso wie das Fleisch und Gemüse mit kochend scharfem Peperoncino, der direkt aus der Hölle zu kommen scheint. Mindestens 600 Gramm des Teufelszeugs muss ein gestandener Kalabrese vertilgen, um beim jährlich stattfindenden Wettbewerb im Badeörtchen Diamante die anderen Teilnehmer auszustechen. Für kulinarische Weicheier wie uns hält die Gegend zum Glück aber auch die eine oder andere Entdeckung bereit. Nicht nur meine zwölf Monate alte Tochter schaut erstaunt, als im Restaurant „Dispensa della Nonna“ (Omas Speisekammer) von Tropea die berühmte Zwiebelmarmelade auf den Tisch kommt. Keineswegs fürs süße Frühstück gedacht, harmoniert die Masse angeblich hervorragend zu Kartoffeln und Quark. Na dann: Buon appetito! Wir greifen zu.

Während ich in Hinblick auf die `Ndrangheta – einem Ableger des Mafia-Krakens- meine EC-Karte fester an mich drücke, schwört unsere Begleiterin Claudia, dass die Einbruchsrate hier extrem gering sei. „Wir lassen sogar den Schlüssel im Auto stecken und die Haustür offen, wenn wir weg gehen“, plaudert sie im schönsten schwyzerdütsch. Vom organisierten Verbrechen und seinen Ausläufern will sie in zwanzig Jahren nicht behelligt worden sein. Zum Glück hat selbst mein Mann, der spätabends verschwitzt und gut gelaunt ins Hotel zurückkehrt, auf seiner Bergtour keine Spur davon bemerkt. Dabei gilt das Aspromonte-Massiv als Hauptsitz der `Ndrangheta. Unseren letzten Abend feiern wir mit einem Glas Cirò, dem kräftigen Rotwein der Region.

Als unser Flugzeug am Morgen abhebt und langsam den Blick freigibt auf die verschachtelten kalabresischen Gebirgszüge, fallen unserer Kleinen die Augen zu. Auch wir Eltern schlummern selig ein und träumen von wuchtigen Höhenzügen (Papa) und Bilderbuch-Stränden (Mama). Mal schauen, wie lange es dauert, bis wir wieder im Flieger sitzen und südwärts reisen. Bis dahin: „Ciao, Calabria!“

Daniela Egert

Pizzo

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