Für Lissabon trifft wahrscheinlich jede Eigenschaft zu, die eine interessante Städtereise ausmacht: Es gibt jede Menge Geschichte, Museen, Klöster, Schlösser und unzählige Kirchen in der Stadt und dem Umland, die man laut Reiseführern "unbedingt besichtigen sollte". Aber manchmal sind es eher die kleinen und im ersten Moment unauffälligen Orte und Begebenheiten, die eine Städtereise zu einem unvergessenen Erlebnis werden lassen.
Lissabon könnte man auch als Stadt der unzähligen Möglichkeiten bezeichnen. Bei meiner ersten Reise dorthin wollte ich auch alles sehen und erleben, was der Reiseführer so eindringlich empfahl; aber als ich endlich mitten in der Stadt vor dem 30m hohem Obelisken Praça Restauradores (Denkmal, das an die Befreiung Portugals von den Spaniern erinnern soll) stand, war ich so überwältigt von der Atmosphäre der Stadt, dass ich spontan beschloss, einfach drauf los zu gehen und mich überraschen zu lassen, wohin mich mein Weg führen würde.
Ein Likör zum Verlieben
Die Straßen Lissabons sind teilweise sehr steil. Besonders in kleinen Gassen windet sich der Weg scheinbar endlos lang in die Oberstadt. Bei strahlendem Sonnenschein und gefühlten 37C°, litt ich als absolute sportliche Niete bereits nach kurzer Zeit unter Schnappatmung und keuchte wie eine kaputte Dampflok. Eine kleine Pause konnte eine Fahrt in einer der traditionellen Eléctricos, der Straßenbahn Lissabons bieten. Besonders beliebt bei Touristen und dadurch ständig überfüllt ist die Linie 12E, die eine kleine Rundfahrt durch Lissabon fährt.
Natürlich hatte ich das Glück, dass die nächste einfahrende Eléctrico zum bersten gefüllt war; aber nicht weit weg erklärte mir ein älterer Herr sei der Hauptbahnhof, von wo aus sämtliche öffentliche Verkehrsmittel abfuhren.
Dort angekommen fiel mir auf der gegenüberliegenden Seite eine Menschenschlange auf, die sich vor einem winzig kleinen Lokal bildete. Portugiesen fast jeglichen Alters standen mit kleinen Plastikbechern auf der Straße und gestikulierten wild. Eine freundliche Dame erklärte mir, dass dieses Lokal "A Ginjinha", mehr ein Ausschank als Lokal, den besten Ginjinha, einen süßen Aufgesetzten verkaufen würde. Ginjinha ist so was, wie das Nationalgetränk der Lissaboner und wenn das hier der Beste ist ... Also probierte ich. Ein Becher kostete gerade mal 90 Cent und beinhaltete in der Tat einen absolut einmaligen Ginjinha. Und das stand natürlich nicht in meinem Reiseführer.
Begeistert von dem Aufgesetzten und der Herzlichkeit der Portugiesen, vergaß ich ganz, dass ich eigentlich mit der Bahn fahren wollte und schlenderte gemütlich die Einkaufsstraße entlang. In teilweise alten verschnörkelten Häusern fanden sich bekannte Modeketten, Juweliere und Bäckereien. Ich war zwar nicht zum Shoppen da, aber ein Abstecher zu H&M konnte nicht schaden. In Gedanken betrat ich das angenehm kühle Geschäft und blieb abrupt mit offenem Mund stehen. Noch nie zuvor habe ich eine H&M Filiale gesehen, die so aufgeräumt und strukturiert ist, wie diese in Lissabon in der Einkaufsstraße. Mir ist bewusst, dass H&M keine Sehenswürdigkeit ist, aber wer in Deutschland die Geschäfte kennt, sollte in Lissabon wirklich mal einen Blick riskieren. Es lohnt sich.
Das Oceanário de Lisboa im Park der Nationen
Vom positiven Schreck beim Shoppen erholt und um ein paar Kleidungsstücke reicher setzte ich meinen Weg durch die Straßen fort. An einer Ecke fiel mir ein großes Plakat mit einer Menge bunter Fische auf. Es handelte sich um ein Event im zweitgrößten Ozeaneum der Welt, das anlässlich der Expo von 1998 im Park der Nationen gebaut wurde. Kurzerhand entschied ich mich für einen Besuch bei den Fischen und nahm ein Taxi Richtung Oceanário.
Dort angekommen hätten mich auch die interessante Architektur verschiedener Gebäude der Expo, kleinere Seen und Wasserspiele interessiert, aber ich entschied mich erst mal für die Fische.
Das riesige Hauptbecken beheimatet jede Menge große und kleine Fische, Haie und Korallen. Ganz fasziniert von dem Treiben im Wasser setzte ich mich auf eine Bank und beobachtete das Geschehen, als ein Mitarbeiter des Oceanário vor dem Becken haltmachte und einer Gruppe Kinder die Geschichte von Montserrat Caballé erzählte.
Ein Barsch Namens Caballé
Bei der Gestaltung des Beckens wurden die unterschiedlichsten Fische mit eingeplant. Unter anderem mehrere Haie und einige Barsche. Als die Fische von ihrer langen Reise in Lissabon ankamen, fiel ein Barsch-Weibchen besonders auf. Es war viel größer und dicker als alle anderen und zudem extrem verfressen und neugierig. Die Mitarbeiter des Oceanário fanden schnell gefallen an dem Barsch-Weibchen und nannten es: Montserrat Caballé, nach der spanischen Opernsängerin (die ebenfalls recht beleibt ist). Montserrat entwickelte sich zum Liebling der Angestellten und war bei jeder Fütterung ganz vorne mit dabei. Eines Tages fiel allerdings einem Arbeiter auf, dass ein Hai angeknabbert aussah. An einer Flosse fehlten einige Ecken. Die Mitarbeiter vermuteten, dass es einen Kampf zwischen den Haien gegeben hatte und sich einer dabei verletzte. Doch plötzlich tauchte Montserrat Caballé in der Nähe des Hais auf, obwohl Barsche die Haie eigentlich meiden. Sie schwamm ganz nah an den Hai heran und tatsächlich - Montserrat Caballé biss zu und nagte an der Flosse des Hais. Die Mitarbeiter trauten ihren Augen nicht. Da hatte dieser verfressene Barsch tatsächlich einen Hai angeknabbert. Seither bekommt Montserrat Caballé eine Portion Futter extra damit sie die Haie in Ruhe lässt.
Die Kinder im Oceanário jubelten und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Ab da war der Barsch Montserrat Caballé mein Maskottchen auf dieser außergewöhnlichen Städtereise in Lissabon.
M. Almeida
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