Früh aufstehen und sich darüber freuen? Das konnte für mich nur eins bedeuten: Es ging wieder auf Reisen!
Dieses Mal hatte ich mich für Großbritannien entschieden, weil ich dort noch nie gewesen bin und ich es liebe, Neues zu entdecken.
Auf die Fahrt war ich besonders gespannt. Da wir kein Geld fürs Fliegen gehabt hatten, hatten meine Freundin und ich uns für eine andere Art des Reisens entschieden: Mit dem Bus sollte es nach Rotterdam gehen, um von dort aus mit der Fähre zur Insel hinüberzuschippern. Diesen Weg, um nach Großbritannien zu gelangen, kannte ich noch nicht, und so war es ein Test für mich herauszufinden, wie bequem er war. Außerdem konnten wir die Anreise gleich mit einer kleinen “Nordseekreuzfahrt” verbinden.
Als es losging, war ich sehr aufgeregt. Dabei versuchte das Wetter wohl, meine Urlaubsfreude mit aller Macht zu unterdrücken. Es regnete in Strömen. Dazu wehte ein kräftiger Wind, so dass ich an einer Raststätte auch noch meinen Schirm einbüßte. Im Bus ging irgendwann die Heizung an, da sich die Temperatur ebenfalls im Keller befand. Ich war wirklich froh, diesem “Sommerwetter” in Deutschland zu entfliehen.
Doch zunächst mussten wir unsere Fähre schaffen. Diese fuhr nur einmal am Tag. Das hieß, dass wir bis spätestens 19 Uhr an Bord sein mussten. Natürlich konnte man bei einem Stau oder ähnlichem anrufen und Bescheid sagen. Aber selbst dann räumten sie einem lediglich eine Wartezeit von 30 Minuten ein. Wer bis dahin immer noch nicht anwesend war, hatte Pech gehabt und musste bis zum nächsten Tag warten. Das war auch verständlich. Schließlich wollten die Beamten ihren Schalter pünktlich schließen.
Nun waren wir wirklich ein wenig spät dran, und der Busfahrer musste kräftig aufs Gaspedal drücken. Er vergaß jedoch nicht, uns eindringlich darauf hinzuweisen, in der Zwischenzeit nach unserem Personalausweis oder Reisepass zu suchen. Wer sein Dokument vergessen hatte, durfte bei der nächsten Gelegenheit aussteigen und ein Taxi nach Hause nehmen. Ob das ernst gemeint war, wusste ich nicht, aber ich war heilfroh, meinen Ausweis in den Händen halten zu können. Die Engländer sollten nämlich sehr streng bei der Einreisekontrolle sein.
Wir erreichten unser Ziel auf den letzten Drücker. Die Einschiffung erfolgte ebenfalls im Eiltempo. Zwar mussten wir uns in einer Schlange anstellen, aber es gab keine großen Wartezeiten. Sie zogen unsere Ausweise nur kurz durch einen Scanner und winkten uns durch. Auf einer Rolltreppe fuhren wir anschließend bis zum Siebten des zwölf Decks umfassenden Fährschiffes “Proud of Hull”.
Mir fiel sofort auf, dass es wohl der Wahrheit entsprach und wir Deutschen Reiseweltmeister sind. Denn das ganze Schiff schien unsere Sprache zu sprechen, bis auf das Personal allerdings. Gut, die Fähre gehörte zu der englischen Fährgesellschaft P&O Ferries. Man konnte nicht erwarten, dass die Besatzung deutsch lernte.
Glücklicherweise reichte mein Schulenglisch aus, um uns zu unserer Kabine durchfragen. Den Weg dorthin nutzte ich gleich, um mich ein bisschen umzuschauen. Es gab Geschäfte, Kinos, ein Casino sowie verschiedene Bars und Restaurants. Selbst eine große Showbühne fehlte nicht. Ich fühlte mich tatsächlich so, als befände ich mich auf einer Kreuzfahrt.
Meine Euphorie wurde allerdings ein wenig auf die Probe gestellt, als ich unsere Kabine sah. Nun war mir auch klar, warum uns das Reisebüro empfohlen hatte, extra Handgepäck für die Überfahrt mitzunehmen. Man würde hier wirklich Schwierigkeiten bekommen, einen Koffer unterzubringen, ohne ständig darüber zu stolpern. Leute mit Platzangst waren in einer Außenkabine sicherlich besser aufgehoben. Bei den zahlreichen Unterhaltungsmöglichkeiten an Bord hätte mich allerdings sowieso nichts auf dem Zimmer gehalten. Die Enge störte mich deshalb gar nicht.
Mehr Sorgen bereitete mir das Schlafen im Doppelstockbett. Nicht nur, dass es nicht vorbereitet war und wir es selber “zusammenzubasteln” mussten. Es sah mir auch nicht sehr vertrauenswürdig aus. Es gab zwar einen Sicherheitsbügel, aber der würde mich wohl nicht daran hindern, bei starkem Wellengang herauszufallen. Denn das Los hatte entschieden, dass ich oben schlafen durfte.
Doch zunächst vergaß ich meine Sorgen, da wir so schnell wie möglich die Kabinen verließen, um uns ins “Nachtleben“ zu stürzen. Dieses begann allerdings nicht an der Bar, sondern auf dem Sonnendeck. Dort war es zwar windig, dafür wurden wir jedoch mit einer fantastischen Sicht auf den Rotterdamer Hafen und die blinkenden Leuchtturme belohnt. Da es so enorm schaukelte, blieben wir bis zur vollständigen Dunkelheit an der frischen Luft und genossen den Anblick des Meeres. Irgendwann wurde es doch zu frisch und wir mussten uns ins Schiffsinnere zurückziehen.
Allerdings brauchte ich noch lange nicht schlafen zu gehen, da auf der Bühne in der Showlounge für Unterhaltung bis zum Morgen gesorgt wurde. Der schottische Sänger mit der tollen Stimme verausgabte sich total, und auch die Band gab ihr bestes.
Kurz nach Mitternacht mussten wir unsere Augen von den Unterhaltungskünstlern losreißen. Schließlich wollte ich die spätere Fahrt durch England und Schottland nicht mit geschlossenen Lidern erleben.
Viel geschlafen hatte ich trotzdem nicht. Es musste ein heftiger Sturm über die Nordsee gefegt sein. Mein schwankendes Bett hielt mich jedenfalls weitestgehend wach.
Kurz vor der fröhlichen Bandansage war ich doch eingenickt. Ich sprang fast aus den Federn vor Schreck, als der nicht zu überhörende Weckruf erschallte. Ein etwas leiserer Ton hätte es auch getan, aber im Prinzip war dieser Service nicht schlecht: Auf diese Weise konnte niemand verschlafen und es blieb noch genügend Zeit, das reichhaltige Frühstücksbüfett zu genießen.
Die Ausschiffung erfolgte organisiert in Gruppen. Dafür dauerte die Passkontrolle diesmal ein wenig länger, da sämtliche Nicht-Briten in einer Schlange stehen mussten. Für ein wenig Unterhaltung sorgte zumindest der Drogenhund. Der niedliche Cockerspaniel, der von Person zu Person geführt wurde, hatte die Aufgabe, an jedem einzelnen Gepäckstück und jeder Hosentasche zu schnüffeln. Offenbar hatte man besondere Vorurteile gegenüber Schiffen, die aus Holland kamen.
Natürlich war bei uns nichts zu finden, und so konnten wir eine knappe Stunde später unsere Reise fortsetzen.
Kingston upon Hull
Anonym
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